Die Vermittlung von Fachwissen in Kinderbüchern (Teil 1)

Die Vermittlung von Fachwissen in Kinderbüchern (Teil 1)

Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen.” Dies legte Aristoteles, zu einer Zeit, als Wissen nur einigen wenigen vorbehalten war, als Grundthese der Schriften fest, die wir heute als Metaphysik kennen. Seit der Verfassung seiner Schriften hat sich viel verändert. Würde ihn das Wissen eines Durchschnittsbürgers heute wohl überraschen?

Die Vermittlung von Fachwissen

Wissen wird immer gesellschaftstauglicher. So kommt es auch, dass sich die Popularisierung der Wissenschaft immer größerer Beliebtheit erfreut. Während damals nur solche Wissenschaften einem breiten Publikum zugänglich gemacht wurden, die auch eine breite Masse betrafen, wie z.B. die Medizin, gibt es heute für nahezu jede Wissenschaft und Teilwissenschaft populärwissenschaftliche Publikationen. Doch wie gestalten sich populärwissenschaftliche Publikationen für Kinder? Auch wenn immer mehr Bücher mit wissenschaftlichem Inhalt für ein breites Publikum verfasst werden, kann ein Kind nicht jedes dieser Bücher verstehen oder gar überhaupt etwas mit ihnen anfangen. Die Frage ist von besonderer Bedeutung, da die frühzeitige Förderung des Interesses von Kindern und Jugendlichen an wissenschaftlichen Themen ebenfalls immer mehr an Relevanz gewinnt. Fest steht, dass Inhalte für Kinder an deren Fähigkeiten angepasst werden müssen.

Wissenschaftliche Themen in Kinderbüchern

Ein Kinderbuch, dessen Inhalt sich für die Besprechung wissenschaftlicher Themen besonders eignet, ist das von Lucy und Stephen Hawking verfasste Kinderbuchs George’s Secret Key to the Universe – oder zu Deutsch Der geheime Schlüssel zum Universum. Der Protagonist der Geschichte ist ein kleiner Junge namens George. George interessiert sich sehr für die Wissenschaft. Da aber Georges Eltern die Wissenschaft als Bedrohung für die Menschheit ansehen und jeden technischen Fortschritt ablehnen, wächst George ohne den Kontakt zur modernen Technik auf. Als sein Hausschwein namens Freddy ausbricht, findet er es schließlich im Nachbarhaus wieder, in dem der Wissenschaftler Eric und seine Tochter leben. Eric verstärkt George in seinem Interesse an der Wissenschaft und stellt ihm den Computer namens Cosmos vor, den sogenannten „geheimen Schlüssel zum Universum“. Georges Neugier ist geweckt und zusammen mit Annie unternimmt er mehrere Ausflüge ins Weltall und lernt dort zahlreiche Dinge über das Sonnensystem. George und der Leser erfahren z.B., was Sonnenflecken sind und warum der Saturn Ringe hat. Die Rahmenhandlung des Buchs wird ergänzt durch Infokästen, in denen einige grundlegende astronomische Begriffe erklärt werden. Zudem geben Fotos und zahlreiche Sachillustrationen weitere Einblicke in das Sonnensystem.

Reduktion der Informationsfülle

Da die kognitiven Fähigkeiten im Kindesalter noch nicht so entwickelt sind wie im Erwachsenenalter, sind die Reduktion der Informationsfülle und die der Informationsdichte zwei wichtige Techniken, die bei der Vermittlung von Fachwissen an Kinder unbedingt berücksichtigt werden müssen. Die thematische Reduktion stellt einen grundlegenden Prozess im Schreiben populärwissenschaftlicher Texte dar, da mit ihr die wichtigsten Informationen eines Themas für einen nichtfachlichen Rezipienten gefiltert werden (bei bestehendem Interesse kann sich der Rezipient jederzeit tiefer mit dem jeweiligen Thema beschäftigen). Außerdem werden theoretische Hintergründe und fachliche Zusammenhänge nicht (immer) aufgezeigt. Neben dem Weglassen zu spezifischer Informationen werden ferner komplexe Sachverhalte vereinfacht, um die wesentlichen Elemente eines Themas dem Rezipienten näherzubringen. Bei der Reduktion der Informationsfülle geht es aber nicht nur um eine plumpe Simplifizierung des Themas bzw. des Inhalts, sondern um die Anpassung an den Rezipienten. Daher sollte bei einer Untersuchung eines populärwissenschaftlichen Textes auch die Zielgruppe berücksichtigt werden. Gemäß den Angaben des Verlags Simon & Schuster, der George’s Secret Key to the Universe für den englischsprachigen Raum veröffentlicht hat, sind die Zielgruppe Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren. Der Verlag cbj, der für die Veröffentlichung der deutschen Übersetzung zuständig war, gibt an, dass das Buch für Kinder ab 10 Jahren geeignet ist. Daraus folgt, dass eine thematische Reduktion noch stärker erfolgen muss als bei einem populärwissenschaftlichen Text für eine erwachsene Zielgruppe. Eine Aufgabe der thematischen Reduktion ist es, komplexe Zusammenhänge vereinfacht darzustellen. Da es sich bei dem Beispielbuch um ein Kinderbuch handelt, das als eine altersgemäße Einführung in Astronomie und Astrophysik zu verstehen ist, ist die Reduktion der Informationsfülle im gesamten Buch zu spüren, z.B. auch in einem Abschnitt über „Materie“:

Materie besteht aus unterschiedlichen Sorten von Atomen. Die Atomsorte – ein anderes Wort dafür ist „chemisches Element“ – wird von der Anzahl der Protonen in seinem Kern bestimmt. Diese kann bis zu 118 betragen, dazu kommt in den meisten Fällen eine gleich große oder größere Anzahl von Neutronen. (Hawking/Hawking)

Abgesehen von der Tatsache, dass die Begriffe „Atom“, „Proton“ und „Neutron“ nicht erklärt werden, wird der Begriff der Materie dem Leser in drei Sätzen nähergebracht. Da der Leser nun eine ungefähre Vorstellung von der Thematik hat bzw. haben sollte, werden im Anschluss Beispiele genannt:

Das einfachste Atom ist das Wasserstoffatom, dessen Kern nur ein Proton und kein Neutron enthält. Das größte, natürlich vorkommende Atom, nämlich Uran, hat einen Kern aus 92 Protonen und 146 Neutronen.

Wasserstoff und Uran werden als Beispiele für Atome gewählt. Dies ist insofern sinnvoll, da Wasserstoff und Uran in diesem Fall zwei Extreme darstellen, nämlich das einfachste und das größte Atom, und durch die Wahl von Extremen oder Gegensätzen der Inhalt anschaulicher wird.

Um deutlich zu sehen, inwiefern der Inhalt des Beispielbuchs thematisch reduziert wurde und wie umfangreich das Thema Materie sein kann, empfiehlt es sich, beispielsweise den Artikel „Aufbau der Materie“ aus „Welt der Physik“ zu lesen.

Fortsetzung folgt..

Nachdem im ersten Schritt die Informationsfülle reduziert wurde, geht es im folgenden Schritt darum, die Informationen, die für besonders wichtig oder interessant erachtet wurden, ausführlicher zu behandeln. Dies wird das Thema des zweiten Teils dieser Reihe sein.

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