Kinder zweisprachig erziehen – „Mamá, nos vemos en el Hbf“

Kinder zweisprachig erziehen – „Mamá, nos vemos en el Hbf“

Si no fuera por mi mamá no hablaría español y no sería capaz de escribir este… Oh falsche Sprache, aber dieses Missgeschick war natürlich geplant, denn jetzt habe ich Ihre Aufmerksamkeit 😉 

Unbewusst hat meine Mama mich zu einer Person erzogen, die in zwei Sprachen spricht, denkt, zählt und sogar träumt. Nicht alles zur selben Zeit und meistens auch nicht gemischt, aber, was soll ich sagen? Wenn mir in einer Sprache die Worte fehlen, ergänzt die andere Sprache die Lücken.

In diesem Blog möchte ich über Zweisprachigkeit und die Vor- und Nachteile sprechen und warum ich meiner Mama gerade am Muttertag so dankbar dafür bin.

Zweisprachigkeit als Chance

Wer die Chance hat, seinem Kind zwei Muttersprachen zu vermitteln, sollte sie nutzen und so schon früh den Grundstein legen, sein Kind zu einem Global Player zu machen. Denn von klein auf lernt sich eine Fremdsprache im Handumdrehen! Hier mal eine Geschichte von Henry und Henriette, Henrys schwangere Frau:

Henry glaubt, voll der Englisch-Pro zu sein. Mal eben einen Text ins Englische übersetzen – kein Problem. Ach, da kommt ja Henriette. „Mensch“, sagt Henry, „sollen wir Klein-Henry nicht Englisch beibringen? Das ist doch ein Klacks!“ So einfach geht das nicht, lieber Henry. Denn irgendwann werdet ihr an eure sprachlichen Grenzen stoßen und Klein-Henry nicht idiomatische Wendungen lernen. Aber, wie geht’s denn dann?

So klappt's

Mal angenommen, Henriette ist Peruanerin. Dann könnte sie mit Klein-Henry Spanisch sprechen und Henry Deutsch. Denn mehrsprachige Erziehung in binationalen Familien hat einige Vorteile für alle:

  • Klein-Henry wird weitere Fremdsprachen später leichter erlernen.
  • Seine Kreativität und kommunikative Kompetenz werden gefördert.
  • Er kann leichter zwischen zwei verschiedenen Sachverhalten hin- und herswitchen.
  • Henriette und Henry können ihre Herkunft und nationale Identität an das Kind übermitteln.
  • Die Kommunikation zwischen Henry/-iette und Klein-Henry ist natürlicher, wenn jeder in seiner Muttersprache spricht.

Wirkliche Nachteile hat mehrsprachige Erziehung für Klein-Henry im Grunde nicht. Es wird nur schwierig, wenn er sich unter Druck gesetzt fühlt. Steht Henry mit erhobenen Zeigefinger vor ihm, bekommt Klein-Henry Stress und später Lernprobleme. Auch, wenn Henry gar kein Spanisch versteht, ist das ungünstig – Klein-Henry würde die Situation eiskalt ausnutzen und seine Eltern gegeneinander ausspielen.

Aber wie?

Die erfolgreichste Methode für zweisprachigen Spracherwerb ist die Methode „eine Person – eine Sprache“. Henry spricht konsequent Deutsch und Henriette Spanisch mit Klein-Henry. Untereinander können Henry und Henriette jedoch in einer Sprache kommunizieren, ohne Klein-Henry zu verwirren. 

Aber Henry sollte sich nicht mit dem Duden vor Klein-Henry setzen. Am besten geht es, wenn die zwei Sprachen ganz natürlich in den Alltag integriert werden. Nebenbei lernt Klein-Henry am einfachsten. 

Zusätzlich könnten Henry und Henriette ein spanisch-sprachiges Au-Pair-Mädchen zu sich holen oder Klein-Henry in eine binationale Kindertagesstätte stecken und so die mehrsprachige Erziehung durch externe Einflüsse in beiden Sprachen fördern. Dann ist das Spanische nicht nur auf Zuhause begrenzt.

Klein-Henry ist schon da und kein Baby mehr?

Kein Problem: Die Methode muss nicht zwingend vom Babyalter an verfolgt werden. Bis zum zehnten Lebensjahr stehen die Chancen für eine zweisprachige Erziehung gut, wobei es natürlich später schwieriger ist als in einem Alter, in dem Klein-Henry mit dem Sprechen beginnt.

Umgebungs- und Nichtumgebungssprache

Spanisch ist bei Henry und Henriette übrigens die Nichtumgebungssprache – also die Sprache, die nicht Sprache des Landes ist, in dem die Familie lebt. Diese Sprache „durchzusetzen“ ist schwieriger als die Umgebungssprache, weil Klein-Henry außerhalb des eigenen Heims deutlich mehr mit Deutsch zu tun hat als mit Spanisch.

Es kann sogar gut sein, dass Henriette am Anfang zwar sehr konsequent Spanisch mit Klein-Henry spricht, später aber zunehmend auf Deutsch wechselt. Zum Beispiel, weil sie nur deutschsprachige Freunde haben, deutsche Filme im Kino sehen, keine spanischen Bücher lesen oder einfach nicht sehr oft in ein spanischsprachiges Land in den Urlaub fahren.

Doch aufgepasst, Henriette: Es lohnt sich nicht, hier inkonsequent zu werden! Erstens versäumt Klein-Henry dann wichtige kulturelle Einflüsse seiner hispanischen Hälfte und zweitens wirst du dich schnell niedergeschlagen und von dir selbst enttäuscht fühlen.

Wie und wann lernt Klein-Henry eigentlich eine Sprache?

Klein-Henry beginnt mit ca. ein bis zwei Jahren zu sprechen. Aber natürlich kann er es dann nicht einfach so. Der Spracherwerb ist ein steter Lernprozess, der vor allem durch folgende Abläufe bedingt ist:

  • Nachahmung und Konditionierung: Je öfter Klein-Henry etwas hört, desto schneller merkt er es sich.
  • Angeborener Mechanismus: Spracherwerb ist Regelerwerb. Klein-Henry ist eine sprachspezifische Fähigkeit angeboren, mit den Regeln von Sprache umzugeben. Nach dem Motto: Er weiß auch nicht, woher er das weiß, aber es ist so.
  • Interaktion: Wenn ein Wort immer wieder in derselben Situation und mit denselben Gesten verwendet wird, wird Klein-Henry es sich merken.
  • Kognitive Vorgänge: Sprache ist an die Erfahrung der Umwelt mit allen Sinnen geknüpft. Durch sie werden Vorstellungen von Gegenständen erworben, immer weiter verfeinert, verinnerlicht, und schließlich durch ein Wort symbolisiert. Zum Beispiel denkt sich Klein-Henry: „Das Ding da ist weich. Mama sagt, das ist ein Plüschtier. Also sind Plüschtiere weich.“
  • Sprachanregende Umgebung: Wo nicht viel gesprochen wird, gibt es keinen Spracherwerb. Ohne Zuneigung, Lob und Kommunikation wird Klein-Henry keine Sprache lernen. Eigentlich logisch!

Mamá, nos vemos en el Hbf!

Heutzutage wachsen ca. 43% der kleinen Henrys, Henrikes und Henriettes mehrsprachig auf – Globalisierung macht’s möglich. Eine Sprachverwirrung oder Verzögerung in der Entwicklung von Klein-Henry müssen Henry und Henriette nicht befürchten. Wenn Kinder mit zwei Sprachen aufwachsen, lernen sie sie ohne bewusste Anstrengung. Das Gehirn ist darauf ausgelegt. Und auch das Vermischen von Sprachen ist kein Grund zur Sorge – das passiert nur, weil gerade ein Wort in der anderen Sprache präsenter ist, meist ohne dass Klein-Henry es bewusst merkt.

Wenn Sie bei anderen Themen aus der Welt der Sprachen Unterstützung brauchen, sind wir immer für Sie da. Ob maschinelle Übersetzung, Terminologiemanagement, professionelle Übersetzungssoftware oder Sprachqualitätssicherung, wir helfen Ihnen dabei Ihre Sprachprozesse zu optimieren. Kontaktieren Sie uns einfach.

 

Titelbild wurde mithilfe von Dall-E 2 erstellt.

Related Posts