Immer häufiger werden MÜ-Systeme für die Übersetzung zeitkritischer Projekte eingesetzt. Beinah täglich verkünden IT-Schmieden ihre Neuheiten aus der maschinellen Übersetzungswelt, wie z.B. Googles Deep Neural MT, Systrans Neural MT, Deep Learning, Microsofts AI MT und viele andere.
Bei vielen Menschen werden dadurch vor allem Ängste geschürt: Wird der Mensch schon bald von der Maschine ersetzt? Ist der Übersetzer-Arbeitsplatz noch sicher?
Von Moore über die AI zur Singularität?
Das Einzige, was bekanntlich immer sicher ist, ist, dass nichts sicher ist. Natürlich kann es sein, dass urplötzlich die Technologische Singularität über uns hereinbricht und Maschinen die Weltherrschaft übernehmen. Was wir heute schon wissen, ist, dass das Moorsche Gesetz sich dem Ende naht, manchen Quellen nach sogar schon nicht mehr gültig ist. Künstliche Intelligenz könnte ab hier übernehmen und Maschinen selber lernen, sich zu optimieren.
Das beträfe natürlich alle Berufszweige, nicht nur den der Übersetzung. Wenn es so kommen sollte, dann muss die Menschheit sich bald ganz neuen Herausforderungen stellen, wenn das, was wir heute unter Arbeit verstehen, größtenteils von Maschinen gemacht wird. Aber wir sollten unser Licht nicht gänzlich unter den Scheffel stellen, wir sind eine findige Spezies, immerhin erforschen wir diese ganzen Neuheiten ja selbst. Und außerdem: Noch ist es ja auch nicht so weit.
Immerhin, wenn man die allgemeinen Entwicklungen bedenkt, dann es ist nur logisch, dass auch Übersetzungen auf lange Sicht von Maschinen übernommen werden könnten. Literatur und Dichtung wird noch eine ganze Weile davon verschont bleiben, aber in fast allen anderen Bereichen ist maschinelle Übersetzung bereits angekommen und die maschinell übersetzten Volumina steigen täglich. Es nützt wenig, das zu negieren. Besser, man lässt sich auf diese neuen Entwicklungen ein, macht sich damit vertraut und versucht, die technischen Neuerungen als Chance für sich zu nutzen.
Was kann man als Übersetzer tun?
Vieles, denn es gibt viel zu lernen. Man kann sich neue Fähigkeiten aneignen und sich mit diversen maschinellen Übersetzungsengines auseinandersetzen. MÜ-Systeme können eingesetzt werden, um den eigenen Übersetzungsprozess zu beschleunigen, größere Volumina zu bewältigen oder Kunden post-editierte MÜ preisvergünstigt anzubieten. Last but not least kann man sich als Post-Editor maschineller Übersetzung positionieren. Post-Editoren werden in Deutschland händeringend gesucht, hier gibt es noch erheblich weniger, als in vielen anderen europäischen Ländern und natürlich in Übersee.
Was muss ein Post-Editor können?
Eins vorab: Es werden andere Fähigkeiten für das Post-Editing benötigt, als für das Übersetzen, aber natürlich gibt es Schnittmengen. Übersetzer können durchaus auch als Post-Editoren arbeiten, wenn sie sich diese Fähigkeiten aneignen. Post-Editoren sollten sich vor allem für Technologie begeistern können und keine Berührungsängste haben, laufend neue Systeme und Funktionen einzusetzen. Sprachlich sollten sie in Ausgangs- und Zielsprache stark sein und diese linguistisch und regelhaft beherrschen. Das ist wichtig, damit man den MÜ-Entwicklern konkrete Hinweise liefern kann, was falsch gelaufen ist. Eine gewisse Leidensfähigkeit in Bezug auf die stark schwankenden Qualitätsergebnisse der MÜ ist auf jeden Fall hilfreich, ansonsten wird man nicht glücklich mit der Aufgabe.
Auf der tekom Jahrestagung 2016 in Stuttgart (8.-10. November) beschreibe ich in meinem Tutorial ‘Post-Editing als Portfolio-Ergänzung für Übersetzer’ dieses neue Aufgabengebiet genauer und gehe auf die Besonderheiten ein, z.B. die Schwierigkeit des Preismodells, verschiedene Qualitätsstufen und so weiter. Schaut bei Interesse gerne vorbei, ich würde mich freuen!
Fragen, Feedback und Anregungen gerne direkt an Kerstin Berns.
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