Übersetzungsdienstleister als Terminologiemanager?

Übersetzungsdienstleister als Terminologiemanager?

Ein nachhaltiges Qualitätsmanagement im Hinblick auf die Erstellung und Pflege von Terminologiedatenbanken ist sowohl für das Verfassen von Dokumenten in der Ausgangssprache als auch für deren Übersetzung in die Zielsprachen von entscheidender Bedeutung.

Deshalb besteht das für die Terminologiearbeit zuständige Team unabhängig von der Größe des Unternehmens im Idealfall aus sprach- und sachkundigen Mitarbeitern mit terminologischer Ausbildung. Die Übersetzung der ausgangssprachlichen Dokumente erfolgt dagegen in den meisten Fällen nicht (mehr) durch interne Mitarbeiter des Unternehmens, sondern durch Beauftragung externer Übersetzungsdienstleister.

Standardmodell

Die Festlegung mehrsprachiger Definitionen von Fachbegriffen sowie die Zuordnung von Vorzugsbenennungen, erlaubten und nicht erlaubten Benennungen zu diesen Begriffsdefinitionen erfolgt idealerweise durch enge Zusammenarbeit zwischen dem Terminologie-Team und den Experten der jeweiligen Fachbereiche des Unternehmens: In der Automobilbranche findet dazu beispielsweise ein Austausch mit Ingenieuren oder, je nach Textsorte und Register, auch Juristen oder Finanzexperten etc. statt. Sind diese bisher genannten Voraussetzungen erfüllt, so ist in der Regel sichergestellt, dass die corporate language des Unternehmens von einem in sich stimmigen Begriffssystem gestützt wird und die terminlogischen Vorgaben beim Verfassen und Übersetzen von Dokumenten eingehalten werden. Eine nachhaltige Pflege der Terminologiedatenbanken nimmt sowohl dem Verfasser des Textes als auch den Übersetzern schwierige terminologische Entscheidungen ab und erspart vor allem letzteren eine Menge aufwändiger Recherche: Durch gute Terminologiearbeit nimmt also langfristig betrachtet die Qualität der mehrsprachigen Dokumentation bei reduzierten Kosten für die Erstellung ausgangssprachlicher und zielsprachlicher Texte zu. Aber Moment mal – fehlt hier nicht noch etwas?

Schwachstellen

Nach dem oben beschriebenen gängigen Modell wird die Terminologie durch qualifizierte Mitarbeiter mit guten Sprach- und Sachkenntnissen festgelegt, die jedoch zumindest nicht unmittelbar in den Übersetzungsprozess eingebunden sind. Bei mehrsprachigen terminologischen Einträgen wählt der Terminologe die zielsprachlichen Entsprechungen für die ausgangssprachlichen Benennungen und übersetzt die Begriffsdefinition in alle Zielsprachen. Dazu kann er zwar meist auf muttersprachliche Kenntnisse der Ausgangssprache, aber nur unterschiedlich gute Kenntnisse der relevanten Zielsprachen zurückgreifen. Da die zielsprachlichen Teile des terminologischen Eintrags also im Regelfall durch Fremdsprachler erstellt werden, erfolgt besagte Festlegung der Zieltermini zur Qualitätssicherung mitsamt Kontextzitaten durch Terminologieextraktion aus Referenzkorpora (zusammengesetzt aus sorgfältig ausgewählten zielsprachlichen Fachtexten) und/oder Translationskorpora (zusammengesetzt aus sorgfältig geprüften Ausgangstexten und deren idealerweise noch sorgfältiger geprüften Übersetzungen). Bei dieser zielsprachlichen Terminologieextraktion wird vom terminologischen Fachpersonal jedoch leider häufig (und teilweise aus praktischen Gründen auch gerne) vergessen, dass die kontextuellen Beschränkungen der ausgewählten Fachtexte ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Entsprechend kurz und wenig aufschlussreich fallen nicht selten die Kontextzitate aus. Und gerade in diesem Bereich ist der Fachübersetzer zumindest ein bisschen vorsichtiger, gründlicher und kompetenter.

Übersetzer-Feedback

Der Übersetzer übersetzt in der Regel in seine Muttersprache und kann somit sowohl dank seiner Sprachkompetenz als auch aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung bei entsprechenden Kenntnissen der Textsorte und des Registers besser beurteilen, ob die festgelegte zielsprachliche Entsprechung im jeweiligen Kontext anderen möglichen Benennungen vorzuziehen ist. Da die zielsprachliche Vorzugsbenennung jedoch bereits vorgegeben und Hinweise auf problematische oder unpassende Termini für den Übersetzer meist mit hohem, je nach Auftragsart häufig auch unbezahltem zusätzlichen Aufwand verbunden sind, ist es für ihn lukrativer, die prozessbedingte Entmündigung hinzunehmen und die terminologischen Vorgaben zähneknirschend aber dennoch stillschweigend zu befolgen.

In dem hier beschriebenen Fall geht dem Terminologiemanagement eine wichtige zusätzliche Perspektive verloren, die eigentlich als wertvolle Ergänzung zum Qualitätsmanagement in die Terminologiearbeit mit einbezogen werden müsste: Die unternehmensspezifischen Fach- und Sachkenntnisse des Terminologen sowie seine Möglichkeiten zum Austausch mit Experten der verschiedenen firmeninternen Fachabteilungen stellen sein Urteil in fachlicher Hinsicht über das des Übersetzers; weil er aber andererseits zu unvorsichtigen Verallgemeinerungen neigt, fehlt ihm im Unterschied zu letzterem der Blick für das Besondere, die Kenntnis verschiedener Situationen, in denen eine Benennung besser oder schlechter passt. Mit anderen Worten: Der Terminologe beurteilt die Richtigkeit von Begriffsdefinitionen, Benennungen und Kontextbeispielen sowohl im positiven als auch im negativen Sinne tendenziell von oben, der Übersetzer dagegen eher von innen.

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