Vom Jahreswechsel: übergehen oder durchgehen? Was machen wir da eigentlich?

Vom Jahreswechsel: übergehen oder durchgehen? Was machen wir da eigentlich?

Die Vorweihnachtszeit und der Jahreswechsel sind ein Marathon: Es wird vorbereitet, zelebriert, in Gesellschaft getrunken und gegessen, aber auch berichtet und mit dem Vergangenen abgeschlossen.

Die Aufregung ist auf dem Höhepunkt. Fühlen Sie sich auch von der Strömung mitgerissen? Keine Sorge, das ist alles ganz normal!



In dieser geschäftigen Zeit soll dieser kleine Blog zum Reflektieren anregen – über Enden und Anfänge, Eingänge, Ausgänge und Durchgänge.

Nur ein festliches Treffen?

 

Bild von Srikanta H. U.

Wir befinden uns gerade zwischen Vorfreude und Druck, es wird alles beschleunigt und wir haben keine andere Wahl als mitzurennen: Es ist das Ende eines Zyklus‘.
Die Besonderheit des neuen Jahres ist, dass es eine Passage unterzeichnet, nicht nur ein festliches Treffen. Es ist ein Ritus, der von guten Vorsätzen, an die wir uns im kommenden Jahr halten wollen, begleitet wird. Diese neuen Ziele ermöglichen es jedem, sich selbst zu bestimmen oder neu zu definieren und sich für eine Veränderung zu öffnen.

Genau das bezeichnet einen Übergang. Was die Weihnachtszeit so wichtig macht und einem Abend (Heiligabend oder Silvester) so viel Bedeutung beimisst, ist die symbolische Vorstellung, die dem Menschen wesenseigen ist. Es ist die Gelegenheit, sich endlich wieder mit der spirituellen Dimension von Mythen, Legenden und Poesie zu verbinden, die im Alltag so selten Platz findet.

Ein Durchgang –Aber in welche Richtung soll man schauen?

Im antiken Rom war der Gott Janus die Allegorie von dieser Notion des Durchgangs.
Bis Caesar 45 v. Chr. eine Kalenderreform durchführte, begann das Kalenderjahr mit dem Monat März. Der damals erste Monat des Jahres wurde nach Martius benannt, dem Gott des Krieges, der mit dem Frühling beginnt. Das Wort, das unseren ersten Kalendermonat bezeichnet, kommt vom römischen Gott Janus, vom lateinischen ianua für „Tür“.

Alle Tore Roms standen unter dem Schutz von Janus, dem Gott der Tore. Weil diese zum Eingang und zum Ausgang – in zwei Richtungen – benutzt wurden, hat dieser Gott zwei Gesichter. Der erste schaut nach vorne, der zweite nach hinten.
Steckt denn nicht auch in jedem von uns eine Janus-ähnliche Seite? Denn genau das machen wir an Silvester, sogar den ganzen Dezember über: Wir blicken auf das vergangene Jahr zurück und projizieren uns ins neue Jahr hinein.

Eine Übertretung – Feiern ist transgressiv

Das französische Wort für Heiligabend oder Silvester ist „réveillon“.

Auch Ananas feiern den Jahreswechsel

 

Bild von Pineapple Supply Co.

Eine der ältesten Definitionen ist „kleine Mahlzeit, die man nachts und in Begleitung einnimmt“. Der Begriff leitet sich vom Verb « réveiller » (frz. aufwachen bzw. aufwecken) ab. Wenn wir « réveillons » (Weihnachten bzw. Silvester feiern) bringen wir die natürliche Ordnung der Sachen durcheinander und schaffen stattdessen eine spezifisch menschliche Ordnung. Es findet nachts statt, wenn der Körper zum Schlafen drängt und wir normalerweise zur Ruhe kommen und in den Schlaf finden. Die Feier negiert die natürliche Funktion der Nacht und füllt sie mit Lärm, Geräuschen und großem Nahrungsangebot. Die Feuerwerke um Mitternacht in Deutschland sind ein schönes Beispiel dafür:Die vielen Lichter in der Dunkelheit lassen einen Zeitraum entstehen, der sich außerhalb der „normalen“ Dimension anfühlt.

In seiner „Psychoanalyse des Feuers“ schrieb Gaston Bachelard: „Wenn das Tier Bedürfnisse hat, hat der Mensch Wünsche […]. Der Mensch ist eine Schöpfung des Wünschens, nicht eine Schöpfung der Bedürfnisse“. Das ist genau, was wir mit den ganzen Traditionen machen. Wenn wir feiern, kommen wir nicht zu Tisch, um zu essen, sondern, um die Errungenschaft der menschlichen Freiheit, über die Ordnung der natürlichen Bedürfnisse zu heben.

In diesem Sinne wünschen wir, dass jeder die Ruhe für die Erholung in der Gegenwart findet und nicht von der Vergangenheit und der Zukunft auseinandergerissen wird und den erfüllten Wunsch zur gefundenen Geselligkeit genießt.

Réveillon : « petit repas fait la nuit en compagnie » (Ch. de Bourdigné, Leg. de Pierre Faifeu, éd. F. Valette, Epytaphe, p. 30)

„Si l’animal a des besoins, l’homme a des désirs. … L’homme est une création du désir, non pas une création du besoin“ (Gaston Bachelard, La psychanalyse du feu)


Geschrieben von: Mylène Kamenski

Beitragsbild von Leonard von Bibra auf Unsplash.

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