DIN 8579, Übersetzungsgerechtes Schreiben

Texterstellung und Textbewertung. Die neue Norm im Überblick.

Ein Gastblog von Ursula Reuther (Congree)

Als ob es für Redakteurinnen und Redakteure nicht herausfordernd genug wäre, Fachtexte so zu verfassen, dass sie inhaltlich und sprachlich korrekt und verständlich sind und dabei noch die intendierte Zielgruppe richtig anzusprechen – nein, jetzt sollen die Texte auch noch übersetzungsgerecht geschrieben werden. Was das genau bedeutet und wie diese Anforderung erfüllt werden kann, erfahren Sie in folgendem Artikel.

Übersetzungen gehören mittlerweile genauso zum Veröffentlichungsprozess von technischer Dokumentation wie die Inhaltserstellung selbst und müssen deshalb mit entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen eingeplant und kalkuliert werden. Nicht zuletzt, weil die Übersetzung mancher Inhalte sogar gesetzlich vorgeschrieben ist, wie z. B. im Produkthaftungsgesetz.

Wenn von Übersetzungen in andere Sprachen die Rede ist, wird des Öfteren auch das GIGO-Prinzip erwähnt. GIGO steht für: Garbage in – Garbage out. Mit anderen Worten: Wenn der Ausgangstext, also der Input für die Übersetzung, schon mangelhaft ist und Defizite aufweist, wird sich die mangelnde Qualität auch in der Zielsprache niederschlagen, was wiederum zu schlecht verständlichen oder gar inhaltlich falschen Texten in der Zielsprache führt.

Nun ist es angesichts der Tatsache, dass das Übersetzungsvolumen immer mehr zunimmt und dass die damit verbundenen Kosten erheblich zu Buche schlagen können, nur folgerichtig, wenn der ausgangssprachlichen Textqualität mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden soll.

Kurz gesagt: Die Qualität der Übersetzung steht und fällt mit der Qualität des ausgangssprachlichen Texts. Was also liegt näher, als sich Kriterien zu überlegen, wie man die Qualität des Ausgangstexts im Hinblick auf seine Übersetzbarkeit messen bzw. bewerten kann.

Diese Idee verfolgte eine Gruppe von interessierten und dem Thema „Übersetzen“ auf unterschiedliche Weise verbundenen Personen – und heraus kam dabei die DIN-Norm 8579 „Übersetzungsgerechtes Schreiben – Texterstellung und Bewertung“. In einem beim DIN-Institut angesiedelten Arbeitskreis trafen sich über zwei Jahre hinweg Personen aus den unterschiedlichsten Bereichen, in denen Übersetzung eine Rolle spielt: Hochschulvertreter repräsentierten die Übersetzungslehre, Übersetzer und Übersetzerinnen brachten ihre praktischen Erfahrungen ein, technische Redakteurinnen repräsentierten die Ausgangstexterstellung, Sprachdienstleister teilten ihre Erfahrungen aus Übersetzungsprojekten und Congree, als Softwarehersteller von Sprachprüfprogrammen, konnte aus Kundenprojekten und in Bezug auf die maschinelle Prüfbarkeit von Kriterien wertvollen Input beisteuern.

So sind in die Norm verschiedenen Perspektiven eingeflossen, die sich auch in den dort behandelten Themen widerspiegeln. Zu Beginn wird auf die allgemeinen Merkmale und auf Anforderungen an zu übersetzende technische Fachtexte eingegangen.

Auf was kommt es an?

Ein wichtiger Aspekt, der vor allem bei der maschinellen Übersetzung von Texten eine Rolle spielt, ist die Formatierung der Texte. Grund genug, diesem Thema ein eigenes Kapitel in der Norm zu widmen, das die „Dos and Don’ts“ hierzu zusammenfasst.

Ein wichtiger sprachlicher Aspekt, auf den ebenfalls in einem eigenen Kapitel eingegangen wird, ist die Terminologie. Hier werden anhand von Beispielen typische Fallstricke sowie Tipps, wie diese zu umgehen sind, aufgezeigt. So können bei der Übersetzung Missverständnisse, inhaltliche Probleme, Mehrkosten bis hin zu Fehlübersetzungen vermieden werden.

Ein weiteres Kapitel ist sehr detailliert den sprachlichen Aspekten in Form von Grammatik, Syntax und Stil gewidmet. Darin wird u. a. näher auf Satzbau, Wortwahl und -bildung, die Vermeidung von Mehrdeutigkeiten und auch auf gendergerechte Sprache eingegangen.

Ein weiteres Kapitel hat dann das Thema Kulturneutralität zum Inhalt, das natürlich bei der Übersetzung ebenfalls eine Rolle spielt und keinesfalls unberücksichtigt bleiben darf.

Neben den rein sprachlichen und textgestalterischen Punkten wird außerdem in einem weiteren Kapitel der Übersetzungsprozess mit seinen Abläufen und Rahmenbedingungen betrachtet, bei dem es enorm wichtig ist, dass zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer der Übersetzung Einvernehmen herrscht in Bezug auf Formate in Ausgangs- und Zielsprache, mitgelieferte Daten und Qualitätssicherung.

Ein letztes Kapitel greift auf, wie und welche konkreten Kriterien herangezogen werden können, um zu bewerten, wie übersetzungsgerecht ein verfasster Ausgangstext ist. Hierfür enthält die Norm in tabellarischer Form eine Bewertungsmatrix, die sowohl für die Humanübersetzung als auch für die Übersetzung mit CAT-Tools, aber auch für reine MÜ-Anwendungen, relevante Prüfkriterien auf Basis der in den vorherigen Kapiteln erarbeiteten Hinweise empfiehlt.

Die Überprüfung und letztendlich die Einhaltung dieser Kriterien sollen dazu führen, dass Texte sich besser, fehlerfrei, kostengünstiger, schneller und professioneller übersetzen lassen. Das spart allen am Übersetzungsprozess Beteiligten Zeit, Geld … und Nerven.

So weit, so gut. Und nun?

Übersetzungsdienstleistern – egal, ob Einzelpersonen oder Unternehmen – gibt diese Norm zudem ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie sich gemeinsam mit ihren Auftraggebern auf vertragliche Rahmenbedingungen einigen können, sei dies in Bezug auf Qualitätssicherung oder in Bezug auf Lieferinhalte und -formate.

Als letztes bleibt nun noch die Frage der maschinellen Prüfbarkeit der anzuwendenden Kriterien. Alle Punkte lassen sich natürlich nicht mit softwarebasierten sprachlichen Werkzeugen prüfen, auch nicht, wenn diese Prüfmethoden mit linguistisch intelligenten Verfahren arbeiten. So lassen sich beispielsweise kulturelle Gegebenheiten, sachlogische Zusammenhänge oder die Textpragmatik nicht mit einem Sprachprüfprogramm überprüfen. Aber eine Vielzahl der Kriterien, die einen übersetzungsfreundlichen Text ausmachen, können durchaus von linguistisch intelligenten Sprachprüfprogrammen, wie es der Congree Authoring Server eines ist, überprüft werden.

Ein derart geprüfter und für gut befundener Text bildet dann eine sehr gute Voraussetzung für seine Übersetzung, vor allem in Hinblick auf eine automatisierte Weiterverarbeitung mittels Translation Memory oder MÜ-System. Im letzteren Fall kann sich die Anwendung einer solchen Software auf den zu übersetzenden Text nicht nur positiv auf die eigentliche Übersetzung auswirken, sondern kann auch dazu genutzt werden, das für die MÜ nötige Trainingsmaterial zu optimieren und somit mittelbar das Übersetzungsergebnis positiv beeinflussen.

Wenn Sie mehr über die Norm, ihre Inhalte und ihre Nutzung sowie über mögliche Einsatzbereiche erfahren möchten, laden wir Sie ein, am 29. September 2022 unser Webinar„Übersetzungsgerecht schreiben – die DIN 8579 sagt, wie es geht“ zu besuchen.

Zum Webinar

Ursula Reuther – Vita

Referentin

Ursula Reuther ist bei Congree tätig, sie studierte Angewandte Sprach- und Übersetzungswissenschaft und ist seit 1986 in dem Bereich Maschinelle Sprachverarbeitung und Sprachtechnologie in der Entwicklung und Projektbetreuung tätig. Ihre Schwerpunkte sind Sprachstandardisierung sowie Kontrollierte Sprache und Terminologie.

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