Übersetzer, Maschinen und die Notwendigkeit, neue Wege zu gehen

Übersetzen und Dolmetschen sind – geschichtlich betrachtet – die ältesten Berufe der Welt, fast so alt, wie Sprache selbst. Das Vermitteln zwischen Kulturen ist schon immer ein wesentliches Attribut dieser Berufe und auch heute noch ein wichtiger Aspekt. Die Zukunft dieser Berufe, insbesondere des Übersetzers, wird heutzutage eher schwarz gemalt. Auf der DG TRAD IT Konferenz des EU-Parlaments – ‚Translating in the digital world’ – waren Übersetzungsservices der Zukunft und das Schicksal von Übersetzern zentrales Thema. In diesem Blog möchte ich Kerngedanken dieser sehr spannenden Konferenz teilen.

Maschinelle Übersetzung ist das neue Schwarz

Wie es um den Beruf des Übersetzers im Zuge rasanter technologischer Entwicklungen steht, wird seit Jahren diskutiert. Die Diskussion begann bereits mit Aufkommen der elektrischen Schreibmaschine, flammte zu Zeiten des Siegeszuges der Translation Memory Systeme erneut auf und verstummt seit dem produktiven Einsatz von maschineller Übersetzung gar nicht mehr. In der letzten Zeit drehen sich mehr und mehr Blogs und Diskussionsrunden um die Rolle des Übersetzers im 21. Jahrhundert und darum, ob deepL uns Übersetzer nun alle arbeitslos machen wird. Ob das wirklich so ist, wird sich zeigen. Tatsache ist, dass weltweit täglich immer mehr Content generiert wird und es unmöglich ist, all das von Menschen übersetzen zu lassen, von den Kosten mal ganz abgesehen.

 

Spezialisieren, Aufrüsten, Vertrauen

Der Beruf des Übersetzers ist noch lange nicht obsolet, aber er befindet sich stark im Wandel. Aber ist es denn wirklich so neu, dass Übersetzer sich anpassen und entwickeln müssen? Erfolgreiche Übersetzer sind schon immer die gewesen, die eine Nische ausgebaut haben – mit exotischen Sprachpaaren und speziellen Themenbereichen. Oder die Übersetzer, die im technologischen Umfeld Schritt halten und sich laufend selbst optimieren.

Zusammengefasst heißt das: Es gibt eine schmale Schicht von spezialisierten, stark technologisierten Übersetzern und ein sehr großes, eher undefiniertes Mittelfeld. Dieses Mittelfeld verdient nicht so gut und muss mehr arbeiten für weniger Geld. Hinzu kommt, dass mit aktuell verfügbarer Technologie ein jeder meint, Übersetzer zu sein. Im Klartext: Viele nicht oder nur schlecht ausgebildete ‚Hobby-Übersetzer‘ drängen auf den Markt, die mit sehr günstigen Preisen die ohnehin schon große Mittelschicht weiter ausbremsen. Bei der Flucht aus der Masse der allgemeinsprachlichen Übersetzer hilft nur eins: Eine Spezialisierung finden, technologisch aufrüsten und das Misstrauen gegenüber ‚Maschinen‘ abbauen.

Leichter gesagt als getan?

Mag sein, aber mit Flexibilität und Lernwillen durchaus möglich. Ein Beispiel für eine völlig neue Aufgabenstellung: Ein Kunde hat maschinelle Übersetzung eingeführt und festgestellt, dass die erzeugte Qualität schlecht ist. Die Vermutung ist, dass mit besseren Ausgangstexten die MÜ-Engine ihre Arbeit richtig macht. Hierzu soll ein Qualitätsprüfsystem eingeführt werden, aber zunächst muss die Hypothese überprüft und Regeln festgelegt werden, die im Prüfsystem hinterlegt werden können.

Hier werden Sprachspezialisten gebraucht, die durchaus Übersetzer sein können, aber nicht zwingend sein müssen. Warum Übersetzer? Weil gut ausgebildete Übersetzer alle Fähigkeiten besitzen, die so eine Aufgabe erfordert. Sie sind linguistisch gut ausgebildet, kennen die Regeln ihrer eigenen und mindestens einer weiteren Sprache sehr gut, können Fehler erkennen und linguistisch beschreiben und haben das notwendige Sprachgefühl für die Aufgabe. Was könnte hier gegen den Einsatz von Übersetzern sprechen? Dass sie zuweilen Sprachtechnologie als Feind sehen, den es zu bekämpfen gilt. Oft passiert das ganz unterbewusst. Es entsteht automatisch Misstrauen, sobald klar wird, dass die Übersetzung von einer Maschine kommt.

Man muss nicht nur die Maschine umprogrammieren

Problematisch ist, dass maschinelle Übersetzung den Berufsethos des Übersetzers verletzt, denn MÜ-Ergebnisse sind in der Trainingsphase häufig falsch, selten gut und fast nie idiomatisch. Mit den Möglichkeiten der neuronalen maschinellen Übersetzung könnte sich das langsam ändern. Die Qualität – wenn auch noch lange nicht mit dem menschlichen Sprachniveau vergleichbar – wird spürbar besser. Oder wird sie nur anders? Genau, um das herauszufinden, werden Sprachspezialisten benötigt: Menschen, die wissen, wie es eigentlich heißen muss und wo der Fehler liegt. Und die verstehen, wie viel und was eine Maschine lernen muss, um verständlich, aber nicht zwingend sprachlich korrekt zu übersetzen.

Dazu müsste sich ein Übersetzer quasi umprogrammieren und die Aufgabe nicht als Übersetzungsaufgabe, sondern als Sprachspezialisten-Aufgabe begreifen. Nicht ganz einfach sicherlich. Aber es kann sich lohnen, denn reine Übersetzer werden von Unternehmen immer seltener gesucht. Eher werden Translation-Business-Manager, Lokalisierungsmanager oder Spezialisten im MÜ-Bereich gesucht. Alles Aufgaben, die Übersetzer gut bewältigen können, wenn sie der Aufgabe aufgeschlossen gegenüber stehen und bereit sind, neue Wege zu gehen.

Oder um es mit Captain Kirk vom Raumschiff Enterprise zu sagen: „Der Content-Space, unendliche Weiten, wir schreiben das Jahr 2020! Der Übersetzer dringt in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat…!“ (Fortsetzung folgt)

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