Schlaue Terminologie: Ontologische TMS

Ontologische TMS

Das Terminologiemanagement stellt einen der Grundpfeiler des effizienten Übersetzungsworkflows dar. Der schrittweise Terminologieaufbau über regelmäßige Termextraktionen und ein sachkundiges Vorschlagsverfahren für neu hinzukommende Terme garantieren dabei, dass die Terminologie stets auf dem neusten Stand sind. Zunehmend rücken nun neben den klassischen Terminologie-Managementsystemen auch ontologische Managementsysteme in den Fokus der Terminologieverwaltung, weshalb wir uns nicht nur in diesem Blog eingehender mit dem Thema befassen.

Den Kern einer Terminologieverwaltung stellen softwareübergreifend die terminologischen Kategorien ‚Begriff‘ und ‚Benennung‘ dar. So ist es z.B. möglich, für den Begriff [Fahrzeug] die verschiedenen Benennungen ‚Wagen‘, ‚Auto‘ und ‚Pkw‘ anzulegen. Verschiedene Verwendungsstatus für Benennungen geben dabei an, ob es sich um eine bevorzugte, erlaubte oder ungewünschte Benennung handelt. Hinzu kommt eine größere oder kleinere Menge von  konfigurierbaren Attributen, welche die Suche nach Termgruppen mit geteilten Eigenschaften (z.B. Erstelldatum, Zugehörigkeit zum Fachbereich, etc.) ermöglichen. Diese stößt jedoch dann an ihre Grenzen, wenn man wissen möchte, welche Beziehungen der zum Term gehörige Begriff zu anderen Dingen in der Realität unterhält.

Abhilfe schaffen hier sogenannte Ontologien, die als Abbild der realen Beziehungen zwischen Dingen der Terminologie eine Struktur verleihen:

Eine Ontologie ist eine „sprachlich gefasste und formal geordnete Darstellungen einer Menge von Begrifflichkeiten und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen in einem bestimmten Gegenstandsbereich.“ (Wikipedia).

Ontologisches Terminologiemanagement: Die Systeme

Unser Besuch auf der tekom Jahrestagung 2017 hat gezeigt, dass ontologische / semantische Terminologiesysteme zunehmend auf den Markt drängen und ihren Platz neben den klassischen Terminologie-Management-Systemen einfordern. Ontologische Systeme, die der Terminologieverwaltung dienen oder für diese genutzt werden können, unterscheiden sich wie herkömmliche Terminologie-Management-Systeme in Bezug auf Komplexität und Bedienung. Beispiele für Terminologiesysteme mit ontologischer Ausrichtung sind z.B. Coreon, zu dem es auch eine Online-Demo gibt. Einen weiteren, semantisch noch tieferen Ansatz verfolgt die Software von iViews, welche über manuell erstellte Relationen zwischen Konzepten auch Schlussfolgerungen und komplexe Suchanfragen ermöglicht. Auch die concept maps in Kaleidoscopes TMS quickterm lassen sich flexibel über den Termbestand legen, um hierarchische Beziehungen abzubilden.

Terminologie 2.0 – Lohnt sich der Aufwand?

Die Erstellung von Terminologien in ontologischen Systemen ist mit einem zusätzlichen Erstellaufwand für strukturelle Beziehungen zwischen Konzepten verbunden, der auf den Terminologen zunächst abschreckend wirken kann. Doch der Mehraufwand lohnt sich, und nicht nur der Terminologe kann von der neuen Struktur profitieren:

1. Definitionsfindung

Für den Terminologen, der über die Termwürdigkeit vorgeschlagener oder automatisch extrahierter Terme entscheiden und  sich zur Definitionsbestimmung auf das Fachwissen von Sachverständigen beziehen muss, sind möglichst viele Vorinformationen zum Term wichtig. Eine vernetzte Konzeptdarstellung mit Definitionen und Eigenschaften ist hier eine große Hilfe.

Die Nähe zu benachbarten, über- und untergeordneten Konzepten erleichtert die Erstellung von Definitionen, da die in ihnen bereits festgelegten Informationen Ableitungen zulassen und Unterscheidungsmerkmale zwischen Konzepten systematisch erfasst werden können. Können keine Definitionen aus den bestehenden Informationen abgeleitet werden, erleichtert die hierarchische Verortung der Benennung im System die Rückfragen an den jeweiligen Sachverständigen, da der Terminologe gezielt um die Einordnung in bestehende Teilabschnitte der Begriffshierarchie bitten kann.

2. Vollständigkeit

Technische Produkte haben naturgemäß einen modularen / hierarchischen Aufbau, der sich gut über eine Ontologie abbilden lässt. Der Aufbau eines Automobils z.B. lässt sich von der Karosserie bis hin zu kleinsten Komponenten des Motors und den Schaltungen in Steuergeräten in einer Teilehierarchie von Ober- und Unterbegriffen abbilden. Mit einer solchen hierarchischen Termbank ist es für den Terminologen, der über eine grobe Kenntnis vom Anwendungsgebiet verfügt, weitaus leichter, konzeptuelle Lücken im TMS zu erkennen. Statt sich also darauf zu verlassen, dass wichtige Konzeptgruppen (z.B. alle Zubehörteile zu einem Produkt) über den Vorschlagsprozess oder die Termextraktion erfasst werden, kann der Terminologe anhand einer Ontologie proaktiv im Fachbereich anregen, zu einem eingegangenen Termvorschlag auch gleich alle relevanten Unterbegriffe eines Oberbegriffs zu liefern. Auf diese Weise können Produktgruppen mit geteilten Eigenschaften systematisch aufgenommen und der Termbestand vervollständigt  werden.  Der Terminologe kann sich einem neuen Konzeptgebiet widmen, ohne laufend zwischen unterschiedlichsten Definitionsgruppen hin- und herwechseln zu müssen.

3. Vernetztes Wissen

Die Verknüpfung von Informationen führt nicht nur zu einem besseren Überblick über die vorhandene Konzeptwelt, sondern ermöglicht auch die Erschließung von Wissenszusammenhängen, die zuvor nicht offensichtlich oder nutzbar waren. Damit fällt das ontologische Terminologiemanagement in den Bereich der vielzähligen Methoden rund um den Begriff Big Data, wobei ein Termbestand nicht zwangsläufig über Millionen von Einträgen verfügen muss, um für bspw. Klassifikationsmethoden und semantische Suchen nutzbar zu sein. Auch mit einem überschaubaren Termbestand lassen sich bereits Informationsstrukturen abbilden, mithilfe derer es beispielsweise im Automobil-Bereich möglich ist, nach allen Fahrzeugen des Typs ‚Kombi‘ zu suchen, welche sich aufgrund der Ausprägungen spezifischer Eigenschaften wie Kofferraumvolumen, Sitzanzahl und Allradantrieb sowohl für den Ausflug mit dem Hund ins Gelände als auch für einen Familienausflug eignen. Die Möglichkeiten, Beziehungen und Eigenschaften von Konzepten nutzbar zu machen sind vielzählig und spielen im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung eine immer wichtigere Rolle für die Sichtbarkeit und Nutzerfreundlichkeit von Angeboten im Netz.

Von alt zu neu – Die Umstellung

Existiert bereits ein TMS, müssen vor der Umstellung auf ein ontologisches TMS selbstverständlich die formalen Gegebenheiten beider Systeme erfasst werden, um eine verlustfreie Übertragung der Einträge zu gewährleisten. Manche Systeme haben hierzu die Möglichkeit, den Datenimport aus Formaten wie TBX auch automatisch vorzunehmen. Je nachdem, wie komplex die Beschreibung von Relationen und Eigenschaften im neuen System sein soll, entsteht zu Anfang ein nicht unerheblicher manueller Aufwand, der sich später jedoch durch erhöhten Informationsgewinn auf vielen Ebenen auszahlt. Anbieter und Terminologiespezialisten wie berns language consulting stehen dem Anwender hier gerne zur Verfügung, um optimale Systemlösungen zu finden, die allen Anforderungen des Unternehmens gerecht werden.

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