In dieser Woche feiern wir unsere Eltern, ohne die wir nicht wären, wer wir sind. Jede:r von uns hat bestimmt eine Geschichte mit dem jeweiligen Vater. Heute haben wir eine kleine Geschichte für alle Väter da draußen – es geht um die Lautverschiebung. Warum das Thema so herrlich zum morgigen Vatertag passt, lesen Sie in meinem heutigen Blog.
Wann war die erste Lautverschiebung?
Wann genau die germanische bzw. erste Lautverschiebung stattfand, kann man leider nicht genau sagen. Aber man kann mögliche Zeiträume über sprachliche Phänomene eingrenzen. Zum Beispiel so: Typische Merkmale der germanischen Lautverschiebung, wie „ch“ statt „c“, sind in lateinischen Lehnwörtern nicht enthalten. Daraus schließt man, dass die germanische Lautverschiebung vor der Ausbreitung des Lateinischen in Mitteleuropa abgeschlossen gewesen sein muss, also vor dem 1. Jahrhundert nach Christus. Mit diesem Vorgehen können weitere Anhaltspunkte zur Datierung der ersten Lautverschiebung erschlossen werden. Der aktuelle Forschungsstand verweist auf den Zeitraum von 500 v. Chr. bis 1 n. Chr.
Was ist da genau passiert?
- Zum Beispiel: [p] -> [f], idg. *puklís -> germ.*fuḣliż -> ahd. fogal
- Zum Beispiel: [g] -> [k], lat. gelū -> germ. kalða
- Zum Beispiel: [bh] -> [f], b(h)râter -> got. brōþar -> dt. Bruder
Pater- oder Fatertag?
Wir schauen uns heute mal den Tenuis-Spirans-Wandel an. Da geht wieder um die stimmlosen Verschlusslaute [p][t][k]. Die kennen wir ja bereits aus der zweiten Lautverschiebung, denn dort werden sie zu den stimmhaften Verschlusslauten [b][d][g]. In der ersten Lautverschiebung entwickeln sie sich aber zunächst zu stimmlosen Reibelauten (Frikativen, Spiranten), also [f][th][k].
Wenn wir den Tenuis-Spirans-Wandel bzw. die Verschiebung von [p] zu [f] abbilden wollen, müssen wir uns für einen Moment nur auf unsere Ohren verlassen und uns vorstellen, dass das neuhochdeutsche Wort „Vater“ eigentlich „Fater“ geschrieben wird.
Und dann wird aus dem indogermanischen peḫ-tḗr, lateinisch pater und griechisch patér. Mithilfe der ersten Lautverschiebung entsteht dann daraus das germanische Wort *făðar.
Doch lieber Vatertag!
Obwohl „f“ und „v“ sich in der Artikulation nicht unterscheiden, schreiben wir manche Wörter mit „f“ und andere mit „v“, wie zum Beispiel „Vater“ oder „Frau“. Das liegt daran, dass zur Zeit der althochdeutschen Sprachstufe (750 – 1050 n. Chr.) und der Christianisierung Europas das lateinische Alphabet übernommen und die germanische Schriftsprache (Runen) abgelöst wurde. Im Mittelhochdeutschen (1050 bis 1350) wurden dann alle Wörter mit [f] im Anlaut mit „v“ geschrieben:
- althochdeutsch făter -> mittelhochdeutsch văter -> neuhochdeutsch Vāter
- althochdeutsch fogal -> mittelhochdeutsch vogel -> neuhochdeutsch Vogel
Übrigens: Dass wir andere Wörter, wie „Frau“ oder „fahren“, wieder mit „f“ schreiben, haben wir nur einer späteren Anpassung der Rechtschreibung zu verdanken.