Noch so ein KI Blog? Nicht ganz!

Künstliche Intelligenz (KI) ist überall und in aller Munde. Was KI ist und was KI nicht ist wurde von unzähligen Autor:innen weidlich ausgeschlachtet. Auch zu Auswirkungen der KI auf Menschen im Allgemeinen und in bestimmten Tätigkeitsfeldern wurde bereits viel geschrieben. Darüber, ob das alles so zutrifft oder zutreffen wird, möchte ich mir nicht anmaßen, zu urteilen.

Ich erlaube mir aber in einem Bereich eine persönliche Einschätzung, im dem ich seit über 20 Jahren selber arbeite und Kunden strategisch berate.

Auswirkungen der KI auf Sprachbetriebsmodelle

Aktuell fühle ich mich häufig an meine düstere Vergangenheit erinnert, als Maschinelle Übersetzung so um 2012 herum – dank KI – in Form von Neuronaler Maschineller Übersetzung (NMT) ‚aus dem Schrank‘ kam. Auf einmal wurde die zuvor als reine Forschung verlachte Technologie rasant gesellschafts- und unternehmensfähig, wobei letzteres noch eine ganze Weile brauchte. Inzwischen setzt die Industrie in allen effizienten Übersetzungspipelines auf NMT, sei es über Dienstleister oder mit selbst trainierten Engines.

Die Frage, ob ausgebildete Übersetzer:innen gerne für kleineres Geld den ganzen Tag in großer Geschwindigkeit maschinelle Übersetzungen prüfen möchten, kann sich jede:r selbst beantworten.

Man kann sogar noch viel weiter zurückgehen: Bei der Einführung des Translation Memories ab den 70er Jahren wurde die Software zunächst als ‚Teufelszeug‘ bezeichnet und von Übersetzer:innen abgelehnt. Heute gibt es keinen effizienten Übersetzungsprozess, der ohne TM und NMT auskommt.

Enters AI

Der Einzug generativer KI (Artificial Intelligence, AI), also der ChatGPT-ähnlichen KI, die ‚alles zu wissen scheint‘ und ‚alle Sprach- und Bildbasierten Aufgaben meistern kann‘, soll uns das Leben jetzt noch leichter machen. Zunächst einmal wirft die KI für unsere Kunden aber vor allem Fragen auf:
  • Was bedeutet KI für unsere Sprachbetriebsmodelle?
  • Was ändert sich in naher Zukunft für uns?
  • Worauf müssen wir uns und unsere Sprachbetriebsmodelle vorbereiten?
KI Blog
Spoiler alert: Nicht all diese Fragen können mal eben in einem Blog-Artikel beantwortet werden. 😉

Was ist überhaupt ein Sprachbetriebsmodell?

Wenn ich von einem Sprachbetriebsmodell spreche, dann meine ich die Art und Weise, wie unsere Kunden, also Industrieunternehmen, Übersetzungen für ihre internen und externen Kunden erzeugen (lassen).

Das Spektrum reicht von ‚alles intern‘, also innerhalb des Unternehmens, bis ‚alles extern‘ also mit einem oder mehreren Dienstleistern. ‚Alles‘ bezieht sich hierbei auf alle Systeme, Daten und Dienstleistung, die für die Erzeugung von Übersetzungen für das Unternehmen benötigt werden. Häufig liegen hybride Betriebsmodelle vor, mit unterschiedlichen Externalisierungsgraden. Viele Unternehmen haben den Wert der eigenen mehrsprachigen Daten frühzeitig erkannt und sich um interne Repositories, z.B. in Form von Translation Memories gekümmert. Die eigentliche Übersetzungstätigkeit wird heute zum Großteil von externen Dienstleistern durchgeführt. 

Wenn man sich der Frage nach dem Sprachbetriebsmodell der Zukunft widmet, dann tut man das also erst einmal aus der aktuellen Position und den strategischen Herausforderungen des eigenen Unternehmens heraus. 

Wenn man z.B. schon alles externalisiert hat, könnte man sich zurücklehnen und sagen: Ich vergebe weiterhin alles an einen fitten Language Service Provider (LSP), der sich für mich um das ganze KI-Geraffel mit kümmert. 

Das wirft neue Fragen auf

Was bedeutet ‚fit‘ im Zusammenhang mit KI und LSPs? Was erwarte ich von meinem LSP? Was erwarten meine Stakeholder von mir? Wie entwickelt sich das Angebot insgesamt und welche LSPs werden in Zukunft die Oberhand im ‚KI-Game‘ haben? In einem sich ständig bewegenden Markt ist es bereits jetzt sehr schwierig, sich für den richtigen externen Partner zu entscheiden. Was passiert mit meinen wertvollen Daten? Und: Ist es klug, sich in die Hand eines einzigen Dienstleisters zu begeben (Stichwort ‚vendor lock‘)?

Wenn man bereits ‚hybrid‘ unterwegs ist, z.B. Übersetzungsdaten mit einer kontrollierten Qualität intern verwaltet, möglicherweise ein eigenes Translation Memory (TM), ein Translation Management System (TMS) und MT aufgebaut hat, und einen hohen Grad an Automatisierung erreicht hat, hat man eine ganz andere Ausgangsposition. 

Die Anpassung des Sprachbetriebsmodells an die KI-Zukunft hängt zusätzlich stark davon ab, wie die KI-Strategie im Unternehmen ist und was die Stakeholder brauchen (werden). Sind bereits redaktionelle Prozesse mit KI geplant? Wird man in Zukunft mehr in der Fremdsprache ‚generieren‘ mit KI? Wie wichtig ist eine verlässliche Qualität für bestimmte Informationsarten? Braucht man statt Übersetzern vielleicht fremdsprachige Fachexpert:innen für das Testen und Qualitätssichern von Daten und Prozessen? Müssen das interne Expert:innen sein oder könnte das ein Service der Zukunft von LSPs sein?

Der Sprachbetrieb als strategisch wichtiger Player

Wir sehen im Sprachenumfeld in Unternehmen zurzeit sehr viel KI-Co-Creation, zwischen Abteilungen, mit Dienstleistern, Daten- und Wissens-Silos werden sehr viel schneller eingerissen, als das noch vor kurzem der Fall war. Best Practices gibt es zwar noch nicht (so wirklich), aber diese Vielzahl zukunftsgerichteter Projekte sorgt dafür, dass neue Sprachprozesse und -visionen entstehen.

Diese Entwicklung gibt mir persönlich sehr viel Hoffnung: Bislang war der Sprachbetrieb eher unternehmerisches Stiefkind, erforderlich aber ungeliebt. Jetzt wird er wichtiger Player für KI-Projekte im Unternehmen, sowohl in der Rolle des Datenlieferanten, als auch für Prozess- und Datenexpertise. Diese Rolle sollte man nicht leichtfertig verspielen. Einige Tipps für mehr Sichtbarkeit für Sprachenthemen im Unternehmen finden Sie hier

Füttern Sie Ihre eigene Maschine

Zum Schluss noch ein Appell: Das TM mag irgendwann tot sein (…Totgeglaubte leben länger…) aber die TM-Daten leben weiter und gute mehrsprachige Daten werden dringend benötigt. Bereits jetzt ‚verhungert‘ die KI und es wird an Methoden der synthetischen Datenerzeugung gefeilt. Aktuell sieht es so aus, als fräße sich die KI-Maschine selbst.

Was Sie auch tun, achten Sie auf Ihre wertvollen multilingualen Daten, das bezieht sich in besonderen Maße auch auf die Terminologie. Denn wie können sich Unternehmen in diesen Zeiten der ‚generischen automatischen Texterstellung mit KI‘ noch hervortun? Mit eindeutiger Corporate Language, Corporate Style und Terminologie in allen Sprachen.

Ich freue mich über Ihre Kommentare und Anregungen! Und wenn Sie sich mit mir über Ihr Sprachbetriebsmodell der Zukunft unterhalten möchten, freue ich mich ebenfalls. Melden Sie sich gerne bei mir

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