DSGVO: Stimmen aus der Übersetzungsindustrie

Die enorme Relevanz der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für die Content- und Übersetzungsbranche wurde spätestens in der ersten Jahreshälfte 2018 offenkundig. Verpflichtende Datenschutzbestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten der EU-Bürger haben hier für viel Kopfzerbrechen (und Zähneknirschen) gesorgt.

blc hat nachgefragt: Wie sind Prozessbeteiligte in der Übersetzungsindustrie mit der Verordnung bislang umgegangen?

blc-Umfrage zum Thema DSGVO

Zu diesem Zweck hat blc eine Umfrage mit dem Titel „Erste Erfahrungen mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in der Übersetzungsindustrie“ durchgeführt. Daran haben 68 Vertreter der Branche teilgenommen: freiberufliche und fest angestellte Übersetzer, Übersetzungs- und Terminologiemanager, Agenturinhaber, Mitarbeiter der bekannten Softwarehersteller usw.

Die Umfrage ist somit nicht repräsentativ — sie eignet sich aber dazu, die Stimmung in der Branche einzufangen und sich abzeichnende Tendenzen oder etwaige Lücken aufzuzeigen. Dafür ist die subjektive Wahrnehmung und Bewertung durch die Beteiligten sehr wichtig.

Die Umfrage wurde anonym durchgeführt und auch generell möglichst datenschutzfreundlich gemäß den Grundprinzipien der DSGVO gestaltet:

  • Zur Datenminimierung wurde die Verarbeitung auf das kleinste notwendige Maß beschränkt.
  • Um Transparenz zu gewährleisten, wurde den Teilnehmern das Ausmaß der Datenverarbeitung klar und nachvollziehbar vermittelt. Es wurden keinerlei Kontaktdaten abgefragt, die Umfrageteilnehmer hatten jedoch die Möglichkeit, Ihre E-Mail-Adresse zu hinterlegen, um später die Auswertung der Umfrageergebnisse zu erhalten. 
  • Das Prinzip der Zweckbindung stellt sicher, dass die Kontaktdaten, sofern sie neu sind, nur zur Übermittlung der Umfrageergebnisse verwendet werden können.
  • Um die angemessene Integrität und Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten zu gewährleisten, wurde für die Durchführung ein seriöser Anbieter mit EU-basierten Servern und einem schlüssigen Datenschutzkonzept ausgewählt. Alle Auskünfte werden streng vertraulich behandelt und ausschließlich anonymisiert veröffentlicht.

Gemischte Bilanz

Die Erkenntnisse aus der Umfrage werden in in dem Vortrag „Zurück in die Zukunft – 23 ½ Wochen DSGVO in der Übersetzungsindustrie“ auf der tekom-Jahrestagung dargestellt. Vorab liefern wir schon einige Einblicke in die Ergebnisse:

Die Teilnehmer der Umfrage waren insgesamt gut über die DSGVO informiert (35% kannten die Grundprinzipien, 53 % gaben an, sich relativ gut oder sehr gut auszukennen). Die Meinungen zur DSGVO sind überwiegend kritisch ausgefallen:

  • nur 9% der Befragten fanden die Verordnung wichtig und sinnvoll für den Schutz unserer Daten
  • 30% gaben an, den Gedanken generell zu befürworten, aber die Verordnung für lückenhaft zu halten
  • 58% hatten ein eher negatives oder ein sehr negatives Bild von der Verordnung
  • 3% gaben an, Datenschutz sei für sie kein großes Anliegen

Die Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema hat viel Kraft gekostet: Ein Viertel der Befragten hat 7 bis 30 Personentage für die Umsetzung der DSGVO-bezogenen Maßnahmen aufgewendet, 15% der Befragten sogar über 30 Personentage. Bei weiteren 25% haben sich sowohl interne als auch externe Mitarbeiter mit dem Thema beschäftigt, was die Aufwandsschätzung erschwerte.

Auch wurden in der Umfrage wichtige Vorbereitungsmaßnahmen thematisiert:

  • am häufigsten wurde Prozessüberarbeitung genannt – von 36% der Befragten
  • Anonymisierung wurde von 25% der Teilnehmer genannt
  • Datenminimierung wurde in 20% der Auskünfte erwähnt

Außerdem wurden Maßnahmen wie Datenvorbereitung, Sicherheitsvorkehrungen, Überarbeitung des Translation Memory, Änderungen bei telefonischer Kommunikation usw. angeführt. Die Liste ist aber noch lange nicht vollständig und könnte nach Belieben weitergeführt werden.

 

Mehr als ein Drittel der Umfrageteilnehmer haben generell erkannt, wie wichtig die Anpassung und Ergänzung der Prozesse im Zuge der Vorbereitung war. Zur Konkretisierung haben wir gefragt, ob es einen etablierten Prozess zur Bearbeitung von Auskünften bzw. Löschung von personenbezogenen Daten gibt. Das haben nur 29% der Beteiligten mit „ja“ beantwortet  — schon etwas weniger als ein Drittel. Ganze 47% gaben an, keinen Prozess zu haben und bei Bedarf reagieren zu wollen. 24% konnten dazu keine Auskunft geben. Hier besteht definitiv großer Nachholbedarf, da dies eine der kritischen Anforderungen der DSGVO ist.

 

Die Umfrage zeigt zwar, dass das Datenschutzbewusstsein der Unternehmen, Organisationen und Freiberufler durch die Einführung der Verordnung geschärft wurde — doch die datenschutzfreundliche Neugestaltung der Übersetzungsprozesse steht anscheinend erst am Anfang.

In dem kommenden tekom-Vortrag werden die kompletten Umfrageergebnisse präsentiert und unter anderem die Rolle der Datenschutzbeauftragten und der Aufsichtsbehörden thematisiert. Außerdem wagen wir einen Blick in die Zukunft und stellen die Frage: Wie wird sich die Industrie aufgrund von Datenschutzbestrebungen weiter verändern?

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