Schlaue Terminologie: Ontologisches Terminologiemanagement

Schlaue Terminologie: Ontologisches Terminologiemanagement

Das Terminologiemanagement stellt einen der Grundpfeiler des effizienten Übersetzungsworkflows dar. Der schrittweise Terminologieaufbau über regelmäßige Termextraktionen und ein sachkundiges Vorschlagsverfahren für neu hinzukommende Begriffe garantieren dabei, dass die Terminologie stets auf dem neusten Stand sind.

Zunehmend rücken seit einiger Zeit neben den klassischen Terminologie-Management-Systemen auch ontologische Managementsysteme in den Fokus der Terminologieverwaltung – und erleben durch ChatGPT und Co einen neuen Boost.

Den Kern einer Terminologieverwaltung stellen softwareübergreifend die terminologischen Kategorien ‚Begriff‘ und ‚Benennung‘ dar. So ist es z. B. möglich, für den Begriff ‚Pkw‘ die (weiteren) Benennungen ‚Wagen‘ und ‚Auto‘ anzulegen. Verschiedene Verwendungsstatus für Benennungen geben dabei an, ob es sich um eine bevorzugte, erlaubte oder ungewünschte Benennung handelt. Hinzu kommt eine größere oder kleinere Menge von  konfigurierbaren Attributen, welche die Suche nach Termgruppen mit geteilten Eigenschaften (z. B. Erstelldatum, Kontext, grammatikalische Informationen Zugehörigkeit zum Fachbereich, etc.) ermöglichen. Diese stößt jedoch dann an ihre Grenzen, wenn man wissen möchte, welche Beziehungen der Begriff zu anderen Dingen in der Realität unterhält.

Abhilfe schaffen hier sogenannte Ontologien, die als Abbild der realen Beziehungen zwischen Dingen der Terminologie eine Struktur verleihen:

Eine Ontologie ist eine „sprachlich gefasste und formal geordnete Darstellungen einer Menge von Begrifflichkeiten und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen in einem bestimmten Gegenstandsbereich“ (Wikipedia).

Ontologisches Terminologiemanagement: Die Systeme

Ontologische / semantische Terminologiesysteme fordern nun schon seit einigen Jahren zunehmend ihren Platz neben den klassischen Terminologie-Management-Systemen ein. Ontologische Systeme, die der Terminologieverwaltung dienen oder für diese genutzt werden können, unterscheiden sich wie herkömmliche Terminologie-Management-Systeme in Bezug auf Komplexität und Bedienung.

Beispiele für Terminologiesysteme mit ontologischer Ausrichtung sind z.B. Coreon, zu dem es auch eine Online-Demo gibt. Auch die Concept Maps in Kaleidoscopes Terminologie-Verwaltungssystem Quickterm lassen sich flexibel über den Terminologiebestand legen, um konzeptuelle Beziehungen abzubilden. Einen weiteren, semantisch noch tieferen Ansatz verfolgt die Software von Empolis, welche über manuell erstellte Relationen zwischen Begriffen auch Schlussfolgerungen und komplexe Suchanfragen ermöglicht. Bei letzterem System liegt die Ausrichtung klar in Richtung Ontologien und Terminologiemanagement kann ergänzend etabliert werden.

Terminologie 2.0 – Lohnt sich der Aufwand?

Die Erstellung von Terminologien in ontologischen Systemen ist mit einem zusätzlichen Erstellaufwand für strukturelle Beziehungen zwischen Begriffen verbunden, der auf den Terminologen zunächst abschreckend wirken kann. Doch der Mehraufwand lohnt sich, und nicht nur der Terminologe kann von der neuen Struktur profitieren:

1. Definitionsfindung

Für den Terminologen, der über die Termwürdigkeit vorgeschlagener oder automatisch extrahierter Benennungen entscheiden und sich zur Definitionsbestimmung auf das Fachwissen von Sachverständigen beziehen muss, sind möglichst viele Vorinformationen zum Begriff wichtig. Eine vernetzte Begriffsdarstellung mit Definitionen und Eigenschaften ist hier eine große Hilfe.

Die Nähe zu benachbarten, über- und untergeordneten Begriffen erleichtert die Erstellung von Definitionen, da die in ihnen bereits festgelegten Informationen Ableitungen zulassen und Unterscheidungsmerkmale zwischen Begriffen systematisch erfasst werden können. Können keine Definitionen aus den bestehenden Informationen abgeleitet werden, erleichtert die hierarchische Verortung des Begriffs im System die Rückfragen an den jeweiligen Sachverständigen, da der Terminologe gezielt um die Einordnung in bestehende Teilabschnitte der Begriffshierarchie bitten kann.

2. Vollständigkeit

Technische Produkte haben naturgemäß einen modularen / hierarchischen Aufbau, der sich gut über eine Ontologie abbilden lässt. Der Aufbau eines Automobils z. B. lässt sich von der Karosserie bis hin zu kleinsten Komponenten des Motors und den Schaltungen in Steuergeräten in einer Teilehierarchie von Ober- und Unterbegriffen abbilden. Mit einer solchen hierarchischen Termbank ist es für den Terminologen, der über eine grobe Kenntnis vom Anwendungsgebiet verfügt, weitaus leichter, konzeptuelle Lücken im System zu erkennen.

Statt sich also darauf zu verlassen, dass wichtige Begriffsgruppen (z.B. alle Zubehörteile zu einem Produkt) über den Vorschlagsprozess oder die Termextraktion erfasst werden, kann der Terminologe anhand einer Ontologie proaktiv im Fachbereich anregen, zu einem eingegangenen Termvorschlag auch gleich alle relevanten Unterbegriffe eines Oberbegriffs zu liefern. Auf diese Weise können Produktgruppen mit geteilten Eigenschaften systematisch aufgenommen und der Termbestand vervollständigt  werden. Der Terminologe kann sich einem neuen Begriffsgebiet widmen, ohne laufend zwischen unterschiedlichsten Definitionsgruppen hin- und herwechseln zu müssen.

3. Vernetztes Wissen

Die Verknüpfung von Informationen führt nicht nur zu einem besseren Überblick über die vorhandene Begriffswelt, sondern ermöglicht auch die Erschließung von Wissenszusammenhängen, die zuvor nicht offensichtlich oder nutzbar waren. Damit fällt das ontologische Terminologiemanagement in den Bereich der vielzähligen Methoden rund um den Begriff Big Data, wobei ein Terminologiebestand nicht zwangsläufig über Millionen von Einträgen verfügen muss, um für bspw. Klassifikationsmethoden und semantische Suchen nutzbar zu sein.

Auch mit einem überschaubaren Terminologiebestand lassen sich bereits Informationsstrukturen abbilden, mithilfe derer es beispielsweise im Automobil-Bereich möglich ist, nach allen Fahrzeugen des Typs ‚Kombi‘ zu suchen, welche sich aufgrund der Ausprägungen spezifischer Eigenschaften wie Kofferraumvolumen, Sitzanzahl und Allradantrieb sowohl für den Ausflug mit dem Hund ins Gelände als auch für einen Familienausflug eignen. Die Möglichkeiten, Beziehungen und Eigenschaften von Begriffen nutzbar zu machen sind vielzählig und spielen im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung eine immer wichtigere Rolle für die Sichtbarkeit und Nutzerfreundlichkeit von Angeboten im Netz.

4. Ontologien als Basis für KI-Anwendungen

Ganz aktuell erfahren Ontologien im Rahmen von KI und Large Language Models (LLMs) eine Renaissance. In einer Welt, in der die allgemein verfügbaren Informationen durch ChatGPT und Co immens gestiegen sind, geben Ontologien die Möglichkeit, den unternehmensrelevanten Informationsfluss zu kontrollieren. So erlaubt die Nutzung von ontologischen Terminologiesystemen, die firmeneigenen Produkte einzuordnen und abzugrenzen – und dem Kunden eine maßgeschneiderte Antwort zu geben. Dabei greift der Chatbot auf das in der Ontologie gespeicherte Firmenwissen zu, in Form von definierten Begriffen, die in Beziehung gesetzt wurden. Die im terminologischen Eintrag hinterlegten Synonyme erlauben es, eine Vielzahl von unterschiedlich formulierten Nutzeranfragen zu verstehen und in die richtigen Bahnen zu lenken. So gewinnt das Unternehmen einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung, indem es die Antworten, die der Chatbot gibt, steht beeinflussen und verbessern kann.

Von alt zu neu – Die Umstellung

Existiert bereits ein Terminologie-Management-System, müssen vor der Umstellung auf ein ontologisches System selbstverständlich die formalen Gegebenheiten beider Systeme erfasst werden, um eine verlustfreie Übertragung der Einträge zu gewährleisten. Manche Systeme haben hierzu die Möglichkeit, den Datenimport aus Formaten wie TBX auch automatisch vorzunehmen. Je nachdem, wie komplex die Beschreibung von Relationen und Eigenschaften im neuen System sein soll, entsteht zu Anfang ein nicht unerheblicher manueller Aufwand, der sich später jedoch durch erhöhten Informationsgewinn auf vielen Ebenen auszahlt. Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung, um optimale Systemlösungen zu finden, die allen Anforderungen des Unternehmens gerecht werden.

Möchten Sie wissen, wie Sie von ontologischen Terminologie-Management-Systemen am meisten profitieren können, aber sind gerätselt, wie Sie es am einfachsten umsetzen? Kontaktieren Sie uns um zu erfahren, wie Sie Ihre Terminologie-Prozesse am effizientesten gestalten können und wie künstliche Intelligenz Sie dabei unterstützen kann. Wir beraten Sie gerne!

Bild erstellt mit Canva.

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